Mittwoch, 17. Februar 2010

Zur aktuellen Debatte um Hartz IV

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

für viel Wirbel und Missverständnisse haben die Interpretationen eines Gastkommentars des FDP-Bundesvorsitzenden Dr. Guido Westerwelle in der WELT gesorgt. Aber ist die Empörung richtig? Was hat Westerwelle wirklich gesagt? Und vor allem: Was hat er gemeint?

Fakt ist:
Weder hat Westerwelle in seinem Gastkommentar bei der Tageszeitung DIE WELT am 11. Februar 2010 Hartz IV-Empfänger direkt angesprochen, geschweige denn beleidigt. Warum sollte er das auch tun? In das liberale Weltbild passt weder die Stigmatisierung von Arbeitslosen noch wäre es in für die FDP sinnvoll, ihre eigenen Wähler zu attackieren. Immerhin haben bei der Bundestagswahl zehn Prozent der Erwerbslosen die Liberalen gewählt. Zudem arbeiten wir in der Partei seit Jahren hart an Konzepten zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit. Nur so können wir den Menschen Perspektiven bieten, ohne zugleich den Staatshaushalt vor die Wand zu fahren.

Zeiten von Arbeitslosigkeit sind schlimme Situation für uns alle. Umso mehr ist die aktuelle Debatte für uns als FDP Ansporn, den Übergang aus der Arbeitslosigkeit in den Arbeitsmarkt mit einer besseren Bildungs- und Wirtschaftspolitik zu unterstützen. Dabei haben die Bedürftigen unsere Unterstützung. Das ist unsere soziale Verantwortung, zu der wir Liberale fest stehen.

Die Äußerungen von Guido Westerwelle zielten auf diejenigen Politiker ab, die immer mehr Sozialausgaben bei immer weniger Finanzspielräumen der öffentlichen Haushalte fordern. Dr. Guido Westerwelle hat in seinem Gastbeitrag darauf hingewiesen, dass die Mittelschicht in Deutschland schrumpft. Eine Studie des Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) hat 2008 festgestellt, dass in den 80er Jahren noch 64 Prozent (ca. 50 Millionen) zur Mittelschicht gehörten, 2007 waren es nur noch 54 Prozent (ca. 44 Millionen). Die einkommensstarke Schicht wuchs von 18 Prozent auf 20,5 Prozent an, die einkommensschwache Schicht von 18 Prozent auf 25,5 Prozent.

Im Entwurf des Einzelplans 11 (Bundesministerium für Arbeit und Soziales) sind für 2010 über 146,82 Mrd. Euro an Ausgaben vorgesehen, das sind 45,12 Prozent des Gesamtetats. Alle Ausgaben für soziale Sicherung, soziale Kriegsfolgenausgaben und Wiedergutmachung, die zum Teil noch in anderen Einzelplänen stecken, erreichen sogar 176,7 Mrd. Euro. Das sind 54,3 Prozent des Etats. Rechnet man noch die Zinsen für die Schulden hinzu, machte Dr. Guido Westerwelle darauf aufmerksam, dass dann der Sozialetat sogar ca. 60 Prozent beträgt.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zu den Hartz-IV-Regelsätzen am 9. Februar 2010 festgestellt, dass das Berechnungsverfahren für Hartz-IV transparenter gestaltet werden muss. Hierzu müssen alle existenznotwendigen Aufwendungen in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsgerecht sowie nachvollziehbar auf der Grundlage verlässlicher Zahlen und schlüssiger Berechnungsverfahren genutzt werden. Aber das Gericht betonte auch: “Es lässt sich nicht feststellen, dass der Gesamtbetrag der [...] festgesetzten Leistungen zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums evident unzureichend ist.” Eine Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze wurde also gerade nicht verlangt.

Das Urteil des Bundesverfassungserichts finden Sie hier.

Trotzdem sind im bisherigen Transfersystem einige Bedarfe nicht berücksichtigt worden, die der Nachbesserung bedürfen. Zusätzlich, darum geht es uns Liberalen in der Debatte, muss wieder mehr über Maßnahmen gesprochen werden, die zur Aufnahme von Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt führen. Dafür müssen einerseits die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gesetzt werden, die zu gut bezahlten Arbeitsplätzen führen. Andererseits müssen aber auch die Übergänge aus der Arbeitslosigkeit in den Arbeitsmarkt verbessert werden. In vielen vergleichbaren Industrienationen ist die Verweildauer in Arbeitslosigkeit deutlich geringer  als hierzulande. Dort gilt es aus meiner festen Überzeugung heraus anzusetzen.

Mitnichten hat Dr. Guido Westerwelle mit seiner Äußerungen in der WELT Arbeitslose direkt angesprochen, ihnen Vorwürfe gemacht oder Empfänger staatlicher Transferleistungen beleidigen wollen. Mit der Formulierung „wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein“ zielt Westerwelle eindeutig auf die Lautsprecher aus SPD, Grünen und Linken ab, die trotz Rekordverschuldung immer mehr Staat fordern und dabei immer weniger auf die Finanzierung des Gemeinwesens achten.

Der FDP geht es dabei nicht darum, den Sozialstaat abzuschaffen, sondern ihn treffsicherer und leistungsanreizender zu gestalten. Dafür haben wir als Liberale das Modell des „Bürgergeldes“ entwickelt.
Dieses Bürgergeld-Modell zeichnet sich im Wesentlichen durch drei Grundsätze aus:

1.    Wer bedürftig ist, dem wird geholfen.
2.    Wer arbeitet, darf nicht arm sein.
3.    Wer arbeitet, muss netto mehr haben, als derjenige, der nicht arbeitet.

Den Beschluss der FDP zum Bürgergeld finden Sie hier.

Einige Kommentare aus den Tagesmedien spiegeln aus unserer Sicht realistische Einschätzungen der von Westerwelle angestoßen Debatte um die Finanzierung und Zukunft des Sozialstaates wieder.
Hier finden Sie drei ausgewählte Artikel:

- tagesschau.de
- DIE WELT
- Interview mit Hans-Werner Sinn (ifo München)

Es geht uns Liberalen nämlich im Gegensatz zur Opposition dazu, den Sozialstaat auch morgen noch finanzierbar zu machen und nicht darum, sich in einem Überbietungswettbewerb um die größte Staatsverschuldung kurzfristiger Effekthascherei hinzugeben. Wenn die aus unserer Sicht etwas zu emotionale Debatte dazu beiträgt, eine Diskussion um das liberale Bürgergeld anzustoßen, wäre viel gewonnen.

Im Koalitionsvertrag zwischen FDP und Unionsparteien heißt es dazu bereits auf Seite 84:
„Die Koalition nimmt sich vor, die vielfältigen und kaum noch überschaubaren steuerfinanzierten Sozialleistungen darauf hin zu überprüfen, ob und in welchem Umfang eine Zusammenfassung möglich ist. In diese Prüfung wird auch das Konzept eines bedarfsorientierten Bürgergeldes einbezogen.“

Wir hoffen, dass wir in dieser Legislaturperiode das Bürgergeld einführen können und würden uns dabei sehr über Ihre Unterstützung freuen.

Ihr

Dr. Lutz Knopek

1 Kommentar zu “Zur aktuellen Debatte um Hartz IV”

  1. Das Problem der Arbeitslosigkeit wird uns in Zukunft immer stärker treffen. Spätestens in der nächsten Krise werden wieder Arbeitsplätze wegfallen die nicht wieder aufgebaut werden können.

    Das Problem wird nicht durch Änderungen in der Geldverteilung und Erhöhung des Drucks auf Arbeitslose gelöst (z.B. Agenda 2010, HarzIV)! Auch ist die massive Ausweitung des Billiglohnsektors und Stützung durch die Grundsicherung nicht der richtige Weg! Uns brechen die Einnahmen weg!
    Also verschuldet uns die Regierung immer weiter. Die nächste große Krise wird folgen.

    Doch die Abwärtsspirale dreht sich immer schneller. Leider glauben die meisten Menschen das, dass so sein müsste. Da ist aber ein Trugschluss !

    Uns müsste es eigentlich immer besser gehen, da wir mit so wenig Aufwand wie noch nie immer mehr produzieren können !

    Uns geht es aber immer schlechter, statt immer besser !
    Eigentlich sollten wir immer weniger arbeiten müssen. Jede Produktivitätssteigerung sollte uns eine bessere Lebensqualität bringen.

    Gehen wir endlich die Ursachen der Arbeitslosigkeit mit dem Arbeitsguthaben System an.

    http://www.arbeitslosigkeit-besiegen.de

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