FOCUS-Online vom 03.05.2010
Von Martina Fietz, Berlin
Nachdem das Bundeskabinett die Griechenland-Hilfe auf den Weg gebracht hatte und die Fraktionsvorsitzenden informiert waren, sind die Parlamentarier am Zuge. Während die Fraktionssitzung der FDP noch andauert, stimmt die Unionsfraktion nach einer dreistündigen Debatte zu, dass das so genannte Währungsunion-Finanzstabilisierungsgesetz in den Bundestag eingebracht werden kann – allerdings gab es acht Nein-Stimmen und neun Enthaltungen. Teilnehmer der Sitzung erwarten darum auch, dass im Zuge der Beratungen noch einige Änderungen am Gesetzestext vorgenommen werden. So plädiert Bundestagspräsident Norbert Lammert für Präzisierungen. Er will sichergestellt sehen, dass der Finanzminister nur so lange ermächtigt ist, die Gewährleistungen von 22,4 Milliarden innerhalb von drei Jahren freizugeben, solange auch der Internationale Währungsfonds und die Europäische Zentralbank im Boot sind. Auch, so kritisieren einzelne Abgeordnete, reiche es nicht, dass ausschließlich der Haushaltsausschuss des Bundestages darüber informiert werden soll, ob beispielsweise die Verwendung des Geldes in Griechenland ordnungsgemäß erfolgt.
Umschuldung nicht in deutschem Interesse
Die Bundeskanzlerin spricht ausführlich an diesem Nachmittag, wirbt bei den Abgeordneten um Verständnis für ihr Vorgehen und macht nochmals deutlich, dass es keine Alternative zu den Hilfen für die Hellenen gebe. Angela Merkel weiß, dass sie für die zügige Verabschiedung des Gesetzes die eigene Mannschaft möglichst geschlossen braucht. Auch der Bundesfinanzminister, der zumeist für eher knappe Unterrichtungen bekannt ist, spricht in der Fraktion ausgesprochen ausführlich und werbend, registrieren die Parlamentarier. Skeptiker will man überzeugen – etwa mit dem Hinweis, dass Wolfgang Schäuble morgen nochmals mit Vertretern der Banken reden werde, um deren Engagement zu erhöhen. In der EU hat er sich dafür eingesetzt, dass seine Amtskollegen ebenso vorgehen. Eingehend wird erläutert, dass eine Umschuldung ebenso wenig in deutschem Interesse sei wie der populäre Ruf nach dem Austritt der Griechen aus dem Euro-Verbund.
Nachdem die eigene Truppe sich dem Unvermeidlichen beugt, startet Merkel dann am Abend die große Öffentlichkeitsoffensive. Auf allen Fernsehkanälen erklärt die Kanzlerin, warum es auch in deutschem Interesse sei, Griechenland zu helfen, und warum die Stabilität des Euro von dem jetzt beschlossenen Vorgehen abhänge. Schließlich ist Merkel nicht nur Kanzlerin, sondern auch CDU-Vorsitzende. Der Wahlkampf in Nordrhein-Westfalen wird längst von der Euro-Krise dominiert. Mit Themen wie Bildung oder Arbeitsmarkt finden die Wahlkämpfer vor Ort kaum noch Gehör. Sie müssen erklären, warum Deutschland mit Milliarden-Bürgschaften für die Schulden anderer einstehen soll.
Das Einnorden hat funktioniert
FDP-Chef Guido Westerwelle drängt die Bundestagsfraktion zur Zustimmung. Eindringlich mahnt er die Parlamentarier, das Gesetzespaket auf den Weg zu bringen. In der ohnehin für Schwarz-Gelb extrem schwierigen Wahlkampfphase an Rhein und Ruhr komme es darauf an, aus Berlin das Signal der Geschlossenheit zu geben. Es ist vor allem der Finanzexperte Frank Schäffler, der dagegen hält. Das vereinbarte Hilfspaket führe dazu, dass Griechenland am Ende nicht aus der Schuldenspirale herauskomme – vor allem, weil ein großer Teil der Auflagen zur Haushaltskonsolidierung nicht spezifiziert sei. Letztlich aber kann Westerwelle zufrieden sein. Neben Schäffler stimmt nur noch der niedersächsische Abgeordnete Lutz Knopek gegen die Einleitung des Gesetzgebungsverfahrens, sechs Parlamentarier enthalten sich. Das Einnorden, bei dem Westerwelle indirekt auch deutlich machte, dass er neben den anderen FDP-Ministern im Kabinett Rückendeckung bräuchte, hat funktioniert. Möglichst breit soll die Zustimmung zur Griechenland-Hilfe über die Koalition hinaus sein. Vor diesem Hintergrund ist das Bemühen zu sehen, die Opposition so weit wie möglich in die nun anstehenden Entscheidungen einzubinden. Zu diesem Zweck startet Fraktionschef Volker Kauder an diesem Dienstag Gespräche mit allen Fraktionsvorsitzenden über einen Entschließungsantrag, der parallel zu dem Finanzstabilitätsgesetz verabschiedet werden soll. Darin will die Union vor allem festschreiben, welche Reformen an den EU-Verträgen als notwendig angesehen werden, um in Zukunft vergleichbare Krisen zu verhindern. Dass man dabei allerdings auf einen gemeinsamen Nenner kommen wird, ist nicht garantiert. Die SPD will sich hier im Wesentlichen auf die Beteiligung der Banken an den Kosten konzentrieren.